Psychologie des Nein-Sagens: Warum es wichtig ist und wie es dir leichter fällt

Zuletzt aktualisiert am 27/11/2023 |   geschrieben von Katja Smigerski
Katja Smigerski

Egal, ob in der Beziehung, Familie, im Job oder bei Freunden: Nein sagen ist für viele von uns eine große Herausforderung. Hilfsbereitschaft ist eine bewundernswerte Eigenschaft – solange die eigenen Bedürfnisse nicht auf der Strecke bleiben. Oft quälen uns Schuldgefühle oder das schlechte Gewissen, wenn wir eine Bitte ablehnen. Aus Angst, andere zu verletzen oder weil es einfach einfacher ist, sagen wir dann doch schnell "Ja". Aber wie finden wir eine gesunde Balance? Lass uns genauer hinschauen, wo die Ursachen liegen, was du ändern kannst und warum Nein sagen so wichtig ist. 

Warum es so schwerfällt, Nein zu sagen

Die Antwort darauf liefern die Psychologie und Neurobiologie: Unser Denken, Fühlen und Verhalten wird zu über 95 % aus dem Unterbewusstsein heraus gesteuert. Darin verankert sind „Programme“, die automatisch ablaufen und auf bisherigen Erfahrungen basieren. Durch diese Erfahrungen haben sich innere Überzeugungen, sogenannte Glaubenssätze, gebildet.

Sie sorgen wie eine Art Leitsystem dafür, dass du gut durchs Leben kommst. Sie bleiben so lange gültig, bis du sie hinterfragst – auch wenn sie vielleicht aus einer Zeit stammen, in der du die Welt durch Kinderaugen gesehen und empfunden hast. 

Das bedeutet nicht, dass du unbedingt eine tiefenpsychologische Analyse brauchst, um Nein sagen zu lernen und das zugehörige „Programm“ umzuschreiben. Aber es ist gut, dein Bewusstsein zu schärfen. Dadurch gelingt es dir, Glaubenssätze aufzudecken und zu verändern, damit sie dich künftig automatisch so handeln lassen, wie du es dir wünschst. 

5 typische Erfahrungen, die dazu führen können, dass du nicht Nein sagen kannst

Es sind oft sehr ähnliche Erfahrungsmuster, die dahinterstecken, wenn man sich schwer damit tut, gesunde Grenzen zu setzen. Im Folgenden möchte ich dir die 5 vorstellen, die mir besonders oft in meinem Coachingalltag begegnen:

Du fühlst dich verantwortlich

Manchmal mussten wir schon früh Verantwortung übernehmen. Beispielsweise, weil es engen Bezugspersonen nicht gut ging oder weil sie im Alltag überfordert waren und Unterstützung brauchten. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: Sie waren krank, hatten viele Verpflichtungen oder waren in anderer Form eingeschränkt.

Als Kind sind Bezugspersonen wie Mama, Papa, Oma, Opa oder andere für uns lebenswichtig. Also tun wir alles, damit es ihnen gut geht – und wir ihre Liebe und Anerkennung bekommen. Oft übernehmen Kinder somit früh Verantwortung und lernen: Wenn ich anderen helfe, dann bekomme ich Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Es entsteht das klassische Retter- oder Helfer-Syndrom. Denn Verbundenheit ist eines der grundlegenden Bedürfnisse eines jeden Menschen. Dieses Muster kann auch in späteren Jahren noch entstehen, wenn du in engen Beziehungen ähnliches erlebst.

 Typische Glaubenssätze, die dadurch entstehen:

  • Ich muss alle zufrieden stellen.
  • Ich bin verantwortlich für das Wohlergehen anderer Menschen.
  • Erst, wenn es anderen gut geht, geht es mir gut.

Du kennst es nicht anders

In der Kind- und Jugendzeit sind wir nicht nur sehr aufnahmefähig für die Überzeugungen der Menschen, mit denen wir uns umgeben. Auch lernen wir ganz viel durch Nachahmen. Hast du die Erfahrung gemacht, dass deine Mutter, deine Oma oder auch dein Vater immer für alle anderen da sind und ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen? Dann ist das auch deine Wahrheit, wie die Welt funktioniert. Wieso sollte es bei dir anders sein?

Insbesondere das Verhalten der Menschen, die du bewunderst und liebst, ahmst du automatisch nach einer Weile nach und merkst es gar nicht. 

Typische Glaubenssätze, die sich bilden:

  • Es ist unhöflich, eine Bitte abzulehnen.
  • Frauen/Mütter sind bescheiden und stellen das Wohl anderer an erste Stelle.
  • Wer Nein sagt, ist egoistisch.

Du hast Angst, nicht akzeptiert zu werden

„Sei nicht so laut!“, „Sei lieb!“, „Das macht man nicht!“ –All diese Aussagen sind Klassiker, die nahezu jedes Kind oft hört. Das Resultat: Es lernt, dass es (von den Bezugspersonen) nur akzeptiert wird, wenn es sich anpasst. Dazu gehört oft auch, nett und brav zu sein und nichts zu sagen, wenn etwas stört oder eine Grenze überschritten wurde.

Wenn du dich hier wiedererkennst, könnte es sein, dass in dir abgespeichert ist, dass deine Meinung oder dein Wohlbefinden nicht so wichtig ist wie das der anderen. Kein Wunder, dass es dir schwerfällt, Nein zu sagen, denn die Angst vor Ablehnung sitzt tief.

Typische Glaubenssätze, die daraus resultieren:

  • Ich bin nicht gut, so wie ich bin.
  • Nur, wenn ich mich anpasse, werde ich akzeptiert.
  • Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig.

Du hast Angst, etwas zu verpassen

Ein Thema, das dir vielleicht auch schon bewusst ist: Die Angst, etwas zu verpassen – oft bekannt unter dem Namen „FOMO“ (Fear of missing out). Das kenne ich übrigens auch sehr gut: Gerade in meinen 20er, sogar noch 30er Jahren hatte ich nicht nur Angst, meine Zeit nicht ausreichend zu nutzen, sondern ebenso davor, „abgeschrieben“ zu sein oder andere zu enttäuschen, wenn ich nicht bei jeder Party dabei bin. Dass ich keine Lust habe, es mir nicht gut geht oder es mir schlichtweg zu viel ist, waren in meinem Kopf keine akzeptablen Argumente.

Gerade in jungen Jahren ist die Angst, „nicht dazuzugehören“, immens. Klar, dass Absagen schwerfällt. Aber auch später, im Job, kann dieses Gefühl getriggert werden. 

Typische Glaubenssätze, die damit einhergehen:

  • Wenn ich absage, gehöre ich nicht mehr dazu.
  • Wenn ich Nein sage, enttäusche ich andere.
  • Ich darf nichts verpassen.

Du brauchst die Bestätigung anderer, um dich gut zu fühlen

Wer immer für andere da ist und nicht Nein sagt, gilt oft als hilfsbereit, wird aber auch schnell ausgenutzt. Diejenigen, die deine Hilfe immer wieder in Anspruch nehmen, sind natürlich dankbar, loben dich und freuen sich. Das kann wie eine Droge wirken - gerade für Menschen, die wenig Selbstvertrauen haben und die Bestätigung anderer brauchen, um sich gut und wertvoll zu fühlen. Ein Muster, das sich oft lange unterbewusst abspielt, bis es aufgedeckt wird.  

Typische Glaubenssätze, die dahinterstecken:

  • Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste.
  • Ich brauche viel Bestätigung.
  • Ich fühle mich nur gut, wenn ich gebraucht werde.


Das Erkennen von Verhaltensmustern und den zugehörigen Glaubenssätzen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, Nein sagen zu lernen. Denn ist dir bewusst, woher deine Schwierigkeit kommt, kannst du dein Verhalten hinterfragen und überdenken. Auch kannst du dir dann selbst endlich die Erlaubnis geben, dass es ok ist, Nein zu sagen.

Prüfe deine Glaubenssätze

Stelle dir dazu die folgenden Fragen, am besten schriftlich:

  • Ist der Glaubenssatz (heute noch) wahr?
  • Kannst du das mit absoluter Sicherheit wissen?
  • Was ist dein Gewinn, wenn du das glaubst?
  • Was ist der Preis, den du dafür zahlst?
  • Bist du bereit, den Glaubenssatz loszulassen?
  • Was könnte eine neue Wahrheit sein, die du glaubst?

Achtung: direkt ins Gegenteil überzugehen, also einen stark positiven Glaubenssatz zu formulieren, ist meist ein zu großer Schritt. Gehe kleine Schritte, formuliere den neuen Glaubenssatz positiv und baue Wörter ein wie „immer mehr“, „Mit jedem Tag“, „von Tag zu Tag glaube ich mehr, dass …“

Sammle bewusst Argumente und Beispiele für die neue Überzeugung. Schreibe sie auf und lies sie dir täglich, mindestens 30 Tage lang regelmäßig durch.

Sollte dir das schwerfallen, kann dich ein Coach unterstützen. Das ist insbesondere dann hilfreich, wenn die Glaubenssätze wirklich handfeste Wahrheiten für dich sind, du aber spürst, dass sie dich hindern, so zu handeln, wie du es gerne tun würdest.

Eine Art Überholspur kann an dieser Stelle Hypnose sein: Mithilfe dieser Methode gelangst du in einen Trance-Zustand, der dich wieder so aufnahmefähig werden lässt wie ein kleines Kind. Neue, positive Überzeugungen werden von deinem Gehirn quasi ungefragt übernommen und lassen dich ruhig und gelassen bleiben, wenn du Nein sagst. Das führt dazu, dass du sie schneller verinnerlichst.

Die goldene Regel: Antworte nicht sofort

Kommt jemand mit einer Bitte oder einem Wunsch auf dich zu, empfehle ich dir, nicht sofort zu antworten. Sage deinem Gegenüber, dass du die Anfrage kurz für dich prüfen möchtest und dich gleich zurückmeldest. 

Solltest du der Person gerade direkt gegenüberstehen, bietet es sich an, auf die Toilette oder an einen anderen Ort zu gehen, sodass du kurz für dich alleine bist. Jede Handlung, die das Gespräch kurz unterbricht, ist gut. Du kannst auch einfach kurz einen Schluck trinken oder das Fenster öffnen. Das solltest du gerade dann tun, wenn du dazu neigst, ganz schnell zu allem Ja zu sagen. 

Deine erste Antwort ist also: „Warte bitte kurz einen Moment. Ich gebe dir gleich eine Rückmeldung/Antwort dazu.“

Nutze den Zeitpuffer!

  • Für einen klaren Kopf: Dazu eignet sich beispielsweise eine Atemübung. Schließe deine Augen und atme 10-mal tief ein und aus. Versuche, dich darauf zu konzentrieren, wie der Atem durch die Nase ein- und ausströmt. Das hilft dir, wieder bei dir selbst anzukommen.
  • Um deine Gedanken zu sortieren: Was genau ist der Wunsch deines Gegenübers? Welchen Umfang hat die Bitte? Hast du Lust, Zeit und Kapazität, um der Bitte bzw. dem Wunsch nachzukommen? Wenn es möglich ist, dann schreibe deine intuitiven Gedanken dazu auf. Indem du sie aus deinem Kopf „herausholst“, fällt es oft leichter, sie zu sortieren. Frage dich auch: Worauf verzichtest du, wenn du Ja sagst?
  • Konzentriere dich darauf, was du gewinnst, wenn du Nein sagst: Meistens geht es um Zeit und Energie für deine eigenen Aufgaben, Bedürfnisse oder Erholung. Mache dir bewusst, wie wichtig das ist.
  • Überlege dir ein kurzes Mantra, das du innerlich wiederholst, wenn dein Gegenüber versucht, dich umzustimmen. Beispielsweise „Es ist ok, dass ich Zeit für mich brauche.“, „Ich darf Nein sagen“ oder „Er/sie wird eine Lösung finden.“

Sofern es um Situationen mit vertrauten Menschen geht, habe auch keine Angst, Gefühle zu zeigen. Es ist in Ordnung, wenn dir Tränen kommen. Je öfter es dir gelingt, standhaft zu bleiben, auch unter Tränen, desto besser und stärker wirst du dich fühlen.

Wie du höflich Nein sagst: Tipps und Beispiele

Wenn du Nein sagst, ist das immer eine Entscheidung für dich und deine Bedürfnisse. Und das ist nicht egoistisch. Wenn du gerade andere Prioritäten hast, ist das vollkommen ok. Das Interessante ist: In 99 % der Fälle findet die Person eine andere Lösung, glaub mir. 

Wie dein Gegenüber die Absage aufnimmt, hängt davon ab, wie deine innere und äußere Haltung ist und wie du es rüberbringst. Informationen werden zu 93 % (!) über non-verbale Signale, also Tonlage und Körpersprache kommuniziert (Albert Mehrabian-Regel). 

Sicher kennst du auch diese Menschen, die ganz einfach Nein sagen und man stellt es gar nicht infrage, ob das jetzt ok ist. Diese Menschen strahlen eine gesunde Souveränität aus und bleiben freundlich in ihrem Ton. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Bedürfnisse wichtig sind. Oft haben sie auch eine offene, aufrechte Körperhaltung. Achte mal darauf, was du bei solchen Menschen non-verbal wahrnehmen kannst. 

7 Tipps, wie du authentisch und empathisch, aber klar in deiner Aussage bleibst

  1. Wende dich deinem Gegenüber offen zu und zeige Verständnis, beispielsweise indem du ganz neutral in deinen Worten die Bitte noch einmal wiedergibst.
  2. Bleibe freundlich und höflich. Vermeide Vorwürfe wie „Du hilfst mir ja auch nie!“
  3. Teile deine Entscheidung mit und begründe sie kurz. Versuche, Ausschweifungen zu vermeiden und bleibe bei dir. Wenn du keine Begründung hast, reicht auch ein einfaches „Nein“. Denn auch wenn du etwas nicht tun möchtest, ist das genauso legitim, wie wenn du etwas nicht tun kannst.
  4. Vermeide Beschwichtigungen wie „Tut mir leid, aber …“, „Ich hoffe, du kannst das verstehen.“ Oder „Sei mir nicht böse“ Diese Aussagen sind typische Floskeln, die deine Souveränität abwerten. Sie führen dazu, dass du dich automatisch als schuldig und verantwortlich darstellst.
  5. Sofern es möglich ist und passend erscheint, ergänze gerne einen Impuls für eine kurzfristige Hilfestellung.
  6. Biete Alternativen an oder sage, unter welchen Umständen du mit gutem Gewissen nächstes Mal ja sagen kannst.
  7. Lasse dich nur auf Kompromisse ein, wenn du auch wirklich bereit dazu bist.

Beispiele für Formulierungen

Bei der kurzfristigen Bitte einer Kollegin oder eines Kollegen:

„Danke, dass du kurz gewartet hast. Leider kann ich dir bei der Erstellung der Präsentation für morgen nicht helfen. Ich habe selbst noch dringende ToDos, die ich erledigen muss. Schau aber doch mal im Ordner xy nach, da findest du hilfreiche Vorlagen. Beim nächsten Mal unterstütze ich dich gerne. Plane aber bitte mindestens 3 Tage Vorlaufzeit ein.“

In der Familie:

„Ob ich kurzfristig morgen Nachmittag auf die Kinder aufpassen kann? Das geht leider nicht. Ich habe Termine, die ich nicht verschieben kann. Frag doch mal bei Oma, ob sie einspringen kann.

Wenn der Chef oder die Chefin mit einer neuen Aufgabe kommt, die ToDo-Liste aber schon lang ist:

„Das kann ich machen. Allerdings werde ich dafür etwas von meinen anderen Aufgaben streichen müssen / mehr Zeit brauchen, denn meine ToDo-Liste ist schon sehr lang und es ist mir wichtig, meine Arbeit gut zu machen. Es würde mir helfen, wenn wir kurz gemeinsam draufschauen und priorisieren.“

Reflektiere wiederkehrende, kritische Situationen 

Meistens sind es immer wieder dieselben Situationen, in denen wir nicht gut Nein sagen können. Indem du diese Situationen und dein Verhalten reflektierst, kannst du sie nutzen, Schritt für Schritt daraus zu lernen. Das hilft dir, mehr Klarheit über deine Bedürfnisse zu bekommen und herauszufinden, was du künftig ändern kannst, um besser mit der Situation umzugehen.

So geht´s

  • Beschreibe ganz neutral – wie aufgenommen durch eine Laptopkamera – die Situation: Was ist passiert?
  • Welche Gefühle hat das in dir hervorgerufen? Warst du unsicher, aufgeregt, erfreut, ängstlich …?
  • Welche Bedürfnisse hattest du in diesem Moment? (Notiere alle, die dir in den Sinn kommen, auch wenn sie widersprüchlich sind).
  • Wie würdest du reagieren, wenn du niemals ein Problem mit dem Nein sagen gehabt hättest? Versuche, dir das mal ganz genau auszumalen.
  • Was hättest du in diesem Moment gebraucht, um so zu reagieren, wie du es dir gerade ausgemalt hast?

Fühlst du dich sicher und verbunden?

Oft sind die Bedürfnisse nach Sicherheit und Verbundenheit sehr präsent. Meine Kund:innen erkennen für sich häufig, dass sie gerne gelassen und ruhig bleiben würden, weil sie so viel souveräner reagieren können.

Was auch immer es bei dir ist: sei milde und achtsam mit dir. Frage dich, wann du dich schonmal so gefühlt hast und was dir helfen könnte, beim nächsten Mal in einer kritischen Situation genauso zu fühlen. Überlege dir entsprechende Strategien. Schau dir hierzu auch die Tipps für Akutsituationen an.

Bereite dich vor

Überlege passende Antworten und übe sie: Wenn dir Konflikte generell schwerfallen, hat sich auch bewährt, deine Antwort für dich schriftlich zu formulieren, so wie du dich gut damit fühlst. Achte dabei darauf, dass du in der Ich-Form formulierst und bei dir bleibst. Das kannst du für dich zur Vorbereitung tun oder, sofern es zur Situation passt, auch anschließend per Mail oder Nachricht schicken. Wenn du dabei Erfolgserlebnisse sammelst, kannst du als Nächstes dazu übergehen, im persönlichen Gespräch Nein zu sagen. 

Sollte es dir bei einer bestimmten Person schwerfallen, Nein zu sagen, kann es auch lohnenswert sein, bereits im Vorfeld in einer unkritischen Situation das Gespräch zu suchen. Erkläre, dass du beispielsweise mehr Zeit für dich brauchst und deshalb künftig öfter Nein sagen wirst oder weniger einspringen kannst. Wenn es eine vertraute Person ist, dann erwähne auch, dass dir das noch schwerfällt und bitte um Verständnis und Unterstützung. 

Ob das sinnvoll ist, kommt natürlich auf die Person und das Thema an. Bleibe bei der Begründung aber immer bei dir und warum es für dich gut ist.

Übe in unkritischen Situationen, besser Nein zu sagen

Veränderungen brauchen in der Regel Geduld, Selbstmitgefühl und Zeit. Versuche, nicht alles auf einmal zu ändern. Auch macht es wenig Sinn, Neues direkt in Situationen mit dem „Endgegner“ anzuwenden.

7 Schritte, um Nein sagen zu lernen

  1. Nimm dir Zeit und reflektiere die letzten 3 Situationen, in denen du Schwierigkeiten damit hattest, Nein zu sagen. Überlege dir eine Sache, die du beim nächsten Mal anders machen könntest und probiere es eine Weile aus. Lass dich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich klappt.
  2. Lege dir passende Formulierungen zurecht und übe sie laut vor dem Spiegel. Spiele mit deiner Körperhaltung: Was hilft dir, dich dabei selbstbewusst zu fühlen?
  3. Übe im Kleinen: beispielsweise kannst du beim Bezahlen an der Kasse den Kassenbon freundlich, aber klar ablehnen. Oder übe mit einer Vertrauensperson.
  4. Prüfe deine Glaubenssätze und wandle sie um.
  5. Suche dir kleine, einfache Entspannungsübungen, die dir im Akutfall helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.
  6. Freue dich über kleine und große Erfolgserlebnisse
  7. Mache dir immer wieder bewusst, was du selbst dazu beigetragen hast, dass es ein Erfolg wurde.

Warum es gut und wichtig ist, Nein sagen zu lernen

Ein Beispiel

Nehmen wir mal Anna, die im Job als Leistungsträgerin gilt und ein echter Teamplayer ist. Sie ist beliebt und auch stolz darauf. Allerdings wird auch ihre To-do-Liste immer länger. Wer soll aber denn die ganze Arbeit machen? Und die Kolleg:innen sind doch selbst überlastet, daher hilft sie auch immer wieder aus. Sie sitzt abends ewig im Büro und kann zu Hause kaum noch abschalten. Ihr Partner ist genervt, da sie nur noch über die Arbeit spricht und sie merkt selbst, dass ihr Energielevel immer schneller erschöpft ist. Ihre Lebensfreude sinkt

Obwohl sie nach Feierabend dringend mehr Ruhe bräuchte, ist es ihr wichtig, Freunden nicht abzusagen. Das Ergebnis: Sie ist immer häufiger krank, kommt kaum noch aus dem Bett und ihr Arzt attestiert ihr ein Burnout. Sie fällt mehrere Monate lang aus. 

Kurz vorm Burnout, weil Grenzen fehlen

Was wie ein Extrembeispiel klingt, ist leider schon fast Normalität. Aus einer Studie der Techniker Krankenkasse (März 2023) geht hervor, dass für 85 % der Befragten alleine die „Menge der Aufgaben“ die größte Herausforderung in der Arbeitswelt ist. Schon eine Stress-Studie der TK aus dem Jahr 2021 belegte, dass psychische Beschwerden zunehmen:

„Die Befragten wurden gebeten anzugeben, ob bei ihnen innerhalb der letzten drei Jahre seelische Beschwerden oder Symptome wie Depression, Burnout oder Angststörungen aufgetreten sind. Mehr als jede dritte Person, die häufig Stress erlebt, hat in den letzten drei Jahren psychische Beschwerden erlebt. Diese Gruppe der häufig Gestressten mit psychischen Beschwerden macht zehn Prozent der Bevölkerung aus.“

Nicht Nein sagen können und die damit verbundenen Muster sind eine der häufigsten Ursachen für Stress und Überlastung. Gesunde Grenzen schützen somit nicht nur davor, ausgenutzt zu werden, sondern auch davor, dass durch viele Verpflichtungen, hohe Arbeitslast und „alte“ Ängste psychische und körperliche Beschwerden auftreten.

So geht´s nicht weiter!

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Ein Nein bedeutet ein Ja zu sich selbst

Auch wenn es schon etwas abgedroschen klingt: Ein Nein ist ein Ja zu sich selbst. Denn in der Regel geht es darum, dass andere Menschen unsere Aufmerksamkeit, Energie und Zeit in Anspruch nehmen. Die eigene Selbstfürsorge wird vernachlässigt und als weniger wichtig eingestuft. Über die Zeit stellen sich nicht nur Unzufriedenheit, sondern auch körperliche oder psychische Beschwerden ein. Die eigene Selbstachtung und das Selbstbewusstsein leiden. Wenn du lernst, souveräner für dich einzustehen, wirst du dich automatisch mit der Zeit stärker und auch freier fühlen. 

Ein schönes Zitat zur Relevanz vom Nein sagen ist das von Paulo Coelho, einem brasillianischen Bestseller-Autor:

„Wenn du anderen Ja sagst, stelle sicher, dass du nicht Nein zu dir selbst sagst.“

Grenzen bieten Orientierung

Es ist auch Erleichterung für Beziehungen, egal in welchem Kontext, wenn du ganz klar Nein sagst. Denn Grenzen dienen der Orientierung. Solange dein Gegenüber nicht weiß, wann es für dich zu viel ist oder wenn du andere Bedürfnisse hast, hat sie gar nicht die Chance, das künftig besser zu berücksichtigen. 

Im Gegenteil: Meistens spüren Menschen, wenn jemand etwas tut, was er oder sie gar nicht möchte. Das kann Beziehungen auf die Dauer belasten und auch dazu führen, dass du weniger ernst genommen wirst. Kein Wunder: Denn du nimmst deine Bedürfnisse ja selbst nicht ernst – wieso sollten es dann die anderen tun? Damit möchte ich dich nur sanft darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, gut für sich selbst einzustehen.

Hilfreiche Affirmationen und Sprüche

Sprüche und Affirmationen können dir dabei helfen, dich immer wieder daran zu erinnern, warum es sinnvoll ist, öfter Nein zu sagen und besser für dich einzustehen. Affirmationen sind kurz, positive und prägnante Sätze, die dir helfen, eine neue, hilfreiche Überzeugung zu verinnerlichen.

Diese kleine Auswahl finde ich persönlich sehr einprägsam: 

Affirmationen

  • Ich darf Nein sagen.
  • Meine Bedürfnisse sind wichtig.
  • Ich bin ein guter Mensch – auch wenn ich mal Nein sage.
  • Ein ehrliches Nein ist besser als ein Ja aus schlechtem Gewissen.

Sprüche/Zitate

  • Wenn du dich selbst zum Esel machst, dann ist immer jemand bereit, auf dir herumzureiten. (Bruce Lee)
  • Die Belohnung für Anpassung ist, dass jeder dich mag, außer du dich selbst. (Rita Mae Brown)
  • Sag nicht vielleicht, wenn du Nein sagen möchtest. (Paulo Coelho, brasillianischer Schriftsteller)

Fazit: Nein sagen lernen ist ein Prozess

  • Nein sagen ist wichtiger Bestandteil einer gesunden Selbstfürsorge
  • Wer öfter Nein sagt, sorgt für Orientierung in Beziehungen
  • Wer Nein sagt, wird weniger ausgenutzt und schützt sich vor Überlastung
  • Es reicht nicht, nur dein Verhalten zu ändern - prüfe deine Glaubenssätze
  • Die goldene Regel: Verschaffe dir einen Zeitpuffer in kritischen Situationen
  • Nimm deine eigenen Bedürfnisse ernst - dann tun es auch andere
  • Übe in kleinen Schritten, Nein zu sagen
  • Reflektiere kritische Situationen im Nachgang, um herauszufinden, was dir im Akutfall hilft
  • Suche dir Unterstützung durch vertraute Personen oder Experten

Häufig gestellte Fragen zum Thema “Nein sagen”

Wie sagt man Nein, ohne den anderen zu verletzen?

Oft sind Menschen verletzt, weil sie es gewohnt sind, dass du immer für alles und jeden da bist. Fange also klein an und “entwöhne” euch beide. Du kannst die Härte deines “Neins” mildern, wenn du klar und direkt bleibst. Je mehr du erklärst, desto schlimmer wird es meistens auch. Auch kannst du Alternativen anbieten oder dazu einladen, einen Kompromiss zu finden, der sich für beide gut anfühlt. Weitere Tipps findest du im Beitrag unter “Wie du höflich Nein sagst”.

Es ist nicht immer möglich, Nein zu sagen, ohne den anderen zu verletzen. Gleichzeitig bedeutet ein Ja aber auch oft, dass du deine eigenen Grenzen übergehst. In dem Moment verletzt du dich selbst. Es ist also wichtig, dass du lernst, dass deine Bedürfnisse wichtig sind.

Wie sage ich Nein ohne schlechtes Gewissen / Schuldgefühle?

Das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle sind Signale aus deinem Unterbewusstsein. Sie haben meistens nichts mit der eigentlichen Situation zu tun. Prüfe daher deine Glaubenssätze.

Es kann helfen, dafür eine Zeit lang immer wieder kritische Situationen zu reflektieren und dann die identifizierten Glaubenssätze zu hinterfragen. Gleichzeitig darfst du Stück für Stück durch Üben in kleinen Schritten lernen, dass nichts Schlimmes passiert, wenn du Nein sagst. Positive Erfahrungen werden dir helfen, das schlechte Gewissen hinter dir zu lassen. Das ist ein Prozess. Habe Geduld mit dir selbst. 

Wie wichtig ist es, Nein zu sagen?

Wenn du Nein sagst, wirst du weniger ausgenutzt und schützt dich vor Überlastung. An der richtigen Stelle Nein zu sagen, stärkt dein Selbstbewusstsein. Auch schafft es Orientierung für dich und dein Umfeld, denn so ist für alle klar, wo deine Grenzen liegen. Auch Hilfsbereitschaft darf Grenzen haben - und zwar dann, wenn deine eigene psychische oder körperliche Gesundheit darunter leidet. Es ist immer eine Frage der richtigen Balance. 

Über die Autorin

Katja Smigerski ist kreativer Freigeist, Kommunikationsprofi, ausgebildeter Life & Business Coach (IHK) und Hypnotiseurin (TMI).

Die Darmstädterin unterstützt sensible, ehrgeizige Frauen bei ihrer beruflichen Neuorientierung. Ihre Überzeugung: Für einen erfüllten Job braucht es beides, Sinn und eine gesunde Selbstfürsorge.

In diesem Blog teilt sie Erfahrungen, Gedankenanstöße, Expertenwissen und Inspiration, die Impulse für mehr Klarheit, Selbstvertrauen und Umsetzung liefern.

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